Alois Meyer, Anbetung des Heiligen Kindes (Detail), 1974 © Stadtarchiv Kitzbühel.
„Vielleicht kann heute Christus nur abstrakt angedeutet werden“.
Walter Nigg 1958
Die von Dr. Helmuth Oehler kuratierte Ausstellung zeigt, wie unterschiedlich sich Tiroler Künstler im 20. Jahrhundert mit Themen rund um die Geburt Christi beschäftigt haben.
Von Andreas Rudolf stammt die sehr gelungene Ausstellungsarchitektur. Sie präsentiert die rund achtzig plastischen und gemalten künstlerischen Darstellungen der Heiligen Nacht äußerst spannend.
// RÜCKBLICK. Krippenfiguren aus dem 17. Jahrhundert (Barocke Parade), dem späten 18. Jahrhundert (Tiroler Hirten) und dem 19. Jahrhundert (Mittelalter-Wiederbelebung) stehen am Beginn des Ausstellungsparcours und zeigen Traditionen, aber auch Entwicklungen in der Tiroler Krippenkunst vor 1900.
// DIE GEBURT DER TIROLER KÜNSTLERKRIPPE. Der Tiroler Bildhauer Ludwig Penz (1876–1918) bricht um 1900/1910 radikal mit der traditionellen Gestaltung der Krippenakteure und wird damit – neben Josef Bachlechner d. Ä. – zum Geburtshelfer der Tiroler Künstlerkrippe des 20. Jahrhunderts. Mit seinen Formulierungen befreit Ludwig Penz die Krippe vom Lieblichen und der Idylle: Das Krippenvolk spiegelt Menschen aus der persönlichen Umgebung des Bildhauers wieder, kraftlose Frömmigkeitskunst weicht echter Empfindung.
// ÜBERBLICK. Die nun folgenden Werke der Bildhauerei und Malerei geben einen Überblick über die Beschäftigung Tiroler Künstler mit der weihnachtlichen Thematik im 20. Jahrhundert, wobei der Schwerpunkt auf die Jahrzehnte nach 1945 gelegt wurde. Denn das Ende des Zweiten Weltkrieges und das damit verbundene Wissen über Schrecken, Tod und Mord stellt auch für die Krippenkunst in Tirol eine Zäsur dar.
Nach Auschwitz einfach wieder einen blondlockigen (!) Knaben in einer blütenweißen Windel in die Krippe zu legen, erscheint manchen als barbarisch. Kunst will und kann keine Trösterin mehr sein.
Die Frage, wie bzw. ob überhaupt Göttliches und Heiliges künstlerisch dargestellt werden kann, wird diskutiert, bleibt schwer zu beantworten.
Dabei sticht die Gestaltung der Protagonisten der Heiligen Nacht von Oswald Oberhuber (geboren 1931 in Meran) hervor: Er schnitzt 1947 als junger Mensch auch heute stark beeindruckende Krippenfiguren, die erstmals öffentlich präsentiert werden: Vom Schicksal Gebeugte und Beladene, Verzweifelte sowie Hoffnungslose, aber auch ein Versehrter nähern sich dem Heiligen Kind, suchen Heilung, zumindest Aufrichtung. Derartige Reflexionen des im Krieg Gesehenen und Erlebten bzw. in der Nachkriegszeit im Alltag Beobachteten sind in der Tiroler Krippenkunst rar.
// AUSBLICK. Seit den 1990er Jahren gestalten immer weniger Tiroler Künstler die Geburt Christi für den privaten Raum. In der Ausstellung zeigen jedoch Christian Piffraders Kastenkrippen (1990-2000), ein von Christoph Waldhart 2004 geschnitztes Relief Familie sowie das von Stefan Schwarzenauer speziell für die Schau gemalte Bild Die Geburt Jesu (2014) die Möglichkeiten der Tiroler Krippenkunst im 21. Jahrhundert auf.
Werke folgender Künstler werden präsentiert:
Franz BACHER | Josef BACHLECHNER D. J. | Sepp BAUMGARTNER | Walter BOSSE | Michael DEFNER | Maria DELAGO | Clemens DRESCHKE | Adrian EGGER | Albin EGGER-LIENZ | Franz Christoph ERLER | Maximilian ERLER | Oliver FABEL | Johann GINER D. Ä. | Martin GUNDOLF | Herbert GURSCHNER | Walter HONEDER | Elmar KOPP | Siegfried KRISMER | Walter KUEN | Jakob LEDERER | Helmut MILLONIG | Ernst NEPO | Artur NIKODEM | Oswald OBERHUBER | Johannes OBLEITNER | Sepp ORGLER | Ludwig PENZ | Christian PIFFRADER | Fini PLATZER | Hans PONTILLER | Carl RIEDER Franz | RUMER | Peter SCHNEIDER | Gottlieb SCHULLER | Stefan SCHWARZENAUER | Heinz SOHLER D. Ä. | Mathilde SPECKBACHER | Max SPIELMANN | Heinrich TILLY | Christoph WALDHART | Lorenz WENDLINGER | Josef WIDMOSER
Oswald Oberhuber, Krippenfiguren, 1947 © Privatbesitz. Foto Museum Kitzbühel - Sammlung Alfons Walde.
Heinrich Tilly, Die Anbetung des Heiligen Kindes, 1971 © Privatbesitz. Foto Museum Kitzbühel - Sammlung Alfons Walde.
Literatur:
Helmuth Oehler, Die Krippe kann "auch die größten Künstler befriedigen und beschäftigen". Plastische Gestaltungen der Geschehnisse der Heiligen Nacht durch Tiroler Künstler nach 1945, in: Wolfgang Meighörner (Hrsg.), Friede auf Erden. Studioheft 11 zur Ausstellung im Tiroler Volkskunstmuseum vom 16. November 2012 bis 2. Februar 2013, Innsbruck 2012, S. 73-85.
Helmuth Oehler, Nach der Geburt [des Heiligen Kindes], in: Stadt Kitzbühel, Dezember 2014, S. 28ff.-
Helmuth Oehler, Heilige Nacht (1931 - 1940). Entschwunden? Das Museum Kitzbühel sucht eine von Sepp Orgler (1911 - 1943) geschaffene Weihnachtskrippe, in: Stadt Kitzbühel, Dezember 2014, S. 31.
Besprechungen der Ausstellung:
Edith Schlocker, Frühreifes Bengelchen names Jesus. Gemalte und geschnitzte Krippen Tiroler Künstler des 20. Jahrhunderts im Museum Kitzbühel, in: Tiroler Tageszeitung, 14.12.2014, Seite 44 - Seite 45.
Wido Sieberer, Die etwas anderen Weihnachtskrippen. Beispiele Tiroler Krippenkunst des 20. Jahrhunderts, in: Das Kitzbüheler Anzeiger Magazin, Sonderausgabe Winter 2014, Seite 32 - Seite 33 - Seite 34.