Ingenuin Lechleitner (1676-1731).
Hofbildhauer in Innsbruck.
Leben und Werk.
Biographische Daten
Ingenuin Lechleitner wurde 1676 in Grins bei Landeck im Tiroler Oberland geboren. Als Sohn des Bildhauers Melchior Lechleitner (1639- nach 1685?) und Enkel des Bildhauers Michael Lechleitner (1608/14-1669) lernte er zwischen 1691 und 1696 bei seinem Onkel, dem Plastiker Jakob Auer (um 1645-1706) in Grins. Nach seiner Freisprechung arbeitete Ingenuin Lechleitner vermutlich als Geselle im großen Atelier des kaiserlichen Hofkammerbildhauers Johann Stanetti (1663-1726) in Wien (1696/97-1706). In Wien trat Lechleitner mit Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723) in Kontakt (Stadtpalais des Prinzen Eugen), arbeitete aber auch für Johann Lukas von Hildebrandt (Belvedere).
Für das Jahr 1706 ist das Ansuchen Lechleitners beim Stadtrat in Innsbruck um Aufnahme als Bürger und Bildhauer dokumentiert. Der hofbefreite Bildhauer wurde jedoch erst nachdem er die Innsbrucker Bürgerstochter Anna Barbara Obermayr im Jahre 1708 geheiratet hatte, in das „Inwohner-Verzeichnis“ der Stadt eingetragen (1709). In der Folge lebte und arbeitete Lechleitner im Haus seines Schwiegervaters (im Bereich der heutigen Universitäts- und Dreiheiligenstraße gelegen; Beschreibung von Wohnung und Werkstatt des Bildhauers aufgefunden). 1708 wurde er erstmals offiziell als Hofbildhauer des kaiserlichen Statthalters Karl Philipp von der Pfalz-Neuburg (1661-1742) in Innsbruck tituliert. Auch nach dem Fortgang Karl Philipps (1717) aus Innsbruck führte Lechleitner bis zu seinem Lebensende diesen vom Hof verliehenen, prestigeträchtigen Ehrentitel. Die Kontakte des Hofbildhauers zu den anderen Innsbrucker Hofkünstlern sowie sein soziales Umfeld sind vielfältig dokumentiert.
Zu seinen Auftraggebern in Innsbruck zählten neben Karl Philipp und dem Innsbrucker Hof vor allem die in der Stadt lebenden adeligen Hofbeamten. Er war aber auch für die Stadt Innsbruck, die Tiroler Stände und das Stift Stams tätig. Gestorben 1731 in Innsbruck.
Bedeutung
Die Bedeutung der Kunst Ingenuin Lechleitners für die Innsbrucker Barockplastik ist vor allem in einer Neubelebung der Bildhauerkunst nach einer Phase der verlangsamten Entwicklung, bedingt durch das Fehlen des Hofes, zu sehen. Lechleitner, der sich von der traditionellen (frühbarocken) Gestaltungsweise der Werkstätte seines Großvaters und Vaters in Grins löste, importierte aus Wien die für Innsbruck vollkommen neuartige (fortschrittliche) Formensprache des höfischen Hochbarock. Er konnte dadurch – neben den Benedetti aus dem Trentino – erstmals in Innsbruck Skulpturen realisieren, die eine von Lorenzo Bernini (1598-1680) ausgehende hochbarocke Formensprache aufwiesen, mit welcher der junge Plastiker in Wien konfrontiert worden war (Werke im Umkreis Paul Strudels, Fischers von Erlach, Johann Stanettis und Giovanni Giulianis). Als privilegierter Bildhauer verhalf er mit seinen Werken dem hochbarocken (berninesken) Formvokabular in Innsbruck zum Durchbruch und war an den wichtigsten künstlerischen Projekten im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts in dieser Stadt beteiligt (Spitalskirche; Tiroler Landhaus; Johannes von Nepomuk-Kirche). Dabei arbeitete er vor allem mit dem Innsbrucker Hofbaumeister Georg Anton Gumpp (1682-1754) und den mit diesem verbundenen Hofbauschreibern Balthasar Leonhardt (um 1660-1716) und Joseph Hyazinth Dörfflinger (1688-1764) zusammen. Lechleitner war somit neben den Benedetti und dem ebenfalls in der Stadt ansässigen bürgerlichen Bildhauer Nikolaus Moll (1677-1754) der Hauptvertreter der hochbarocken Skulptur im Raum Innsbruck. Seine Kunst lässt jedoch auch bereits spätbarocke Formqualitäten erkennen.
Werke (Auswahl)
Statuen Johannes von Nepomuk für die Innbrücke in Innsbruck (1709 und 1716); Neptunsbrunnen im Vorgängerbau des Tiroler Landhauses in Innsbruck (1719/20); Giebelfigur des Grafen Meinhard II. von Görz-Tirol (1720) auf dem und Hermen im Bernardisaal im Stift Stams (1721/22); Arbeiten im Tiroler Landhaus in Innsbruck (1728-1731); skulpturale Ausstattung der Johannes von Nepomuk-Kirche in Innsbruck (1729-1731); mythologische Götterfiguren im Palais Tannenberg-Enzenberg in Schwaz (1706-1710) und Innsbruck (1719-1723/25);
Literatur:
Helmuth Oehler, Ingenuin Lechleitner (1676 - 1731). Hofbildhauer in Innsbruck. Leben und Werk, phil. Diss., Innsbruck 2008.
Helmuth Oehler, Götterversammlung im Palais Tannenberg-Enzenberg [in Innsbruck. Zu dortigen Werken von Ingenuin Lechleitner], in: Innsbruck. Die Landeshauptstadt informiert. Offizielle Mitteilungszeitung, April 2009, S. 21.
Helmuth Oehler, Frauen in der barocken Stadt. Die tugendsamen „Ehehauswirtinnen“ Anna Barbara Lechleitner (gest. 1748) und Anna Maria Moll (1681–1768) in Innsbruck [Zu den Ehefrauen der in Innsbruck tätigen Skulpteure], in: Innsbruck. Die Landeshauptstadt informiert. Offizielle Mitteilungszeitung, Jänner 2010, S. 21.
Helmuth Oehler, Ingenuin Lechleitner (1676 -1731). Hofbildhauer in Innsbruck, in: Tirol – immer einen Urlaub wert, Nr. 76, Sommer 2010, S. 81–92.
Helmuth Oehler, Johanna Benigna Gräfin von Montrichier: Eine prominente Badebesucherin, in: Georg Jäger, Gletschermilch und Kirschsuppe. Karges Leben an der Melach. Historische Streifzüge durch das Sellraintral, Innsbruck 2012, S. 314 ff.
Helmuth Oehler, Ingenuin Lechleitner, in: Saur. Allgemeines Künstler-Lexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Band 83, München-Leipzig 2014, S. 416 f.
Ingenuin Lechleitner (1676-1731), Neptun (Detail), 1706-1710, Innsbruck, Palais Tannenberg-Enzenberg,
Treppenhaus. Foto: Dr. Helmuth Oehler, Innsbruck.
Ingenuin Lechleitner (1676-1731), hl. Johannes von Nepomuk, 1721/23-1730, Innsbruck,
Johannes von Nepomuk-Kirche am Innrain, Hochaltar. Foto: Dr. Helmuth Oehler, Innsbruck.